Kehrwieder – wie sich eine Brauerei verändert
Es gibt Menschen und Brauereien, denen ich zu verdanken habe, dass ich seit mittlerweile fünfeinhalb Jahren über alkoholfreies Bier blogge. Ganz vorne steht, das hab ich schon oft geschrieben, Mareike Hasenbeck, die mir den größten Schubs gegeben hat, über alkoholfreie Biere zu schreiben. Dann ist es aber auch die Brauerei Kehrwieder und später der Ideengeber und Braumeister von Kehrwieder Oliver Wesseloh.
üNN – der Star
Das üNN von Kehrwieder hat den Startschuss für mich gegeben, dass ich mich immer mehr mit alkoholfreiem Bier aus der Crafttszene beschäftige. Ein alkoholfreies IPA, das erste dieser Art aus Deutschland, ich habe es direkt geliebt. Ich weiß nicht genau, wann Kehrwieder den Road Runner auf den Markt gebracht hat. Ein Coffee-Stout und somit ein komplett anderes Bier. Die Mischung aus Röstmalz und einem intensiven Kaffeegeschmack haben dieses Bier ausgemacht.
Das dritte alkoholfreie Bier im Bunde war dann das Coconut Grove. Ein Juicy IPA. Sehr erfrischend, wunderbarer Herbe und immer den Eindruck, man hat einen halben Obstkorb vor seiner Nase. Das Bier hat mich fasziniert. Ein Bier, das mit einer speziellen Hefe gebraut worden ist. Die Hefe packt den Malzzucker erst gar nicht an und so kommt es nicht zu einer alkoholbildenden Gärung.
Keine Alternative
Zwischendurch gab es noch ein Biermischgetränk: die Alsternative. Das Coconut Grove gemischt mit einer Limonade aus dem Saft der Kakaofrucht. Mein Geschmack hat es damals nicht getroffen, dennoch schien es wohl recht beliebt gewesen zu sein. Man muss auch gönnen können 😉
Des öfteren habe ich Oliver Wesseloh gefragt, ob er sich einen alkoholfreien Senatsbock vorstellen kann. Das konnte er, aber dazu schien es nicht mehr gekommen zu sein.
Veränderungen
Im Jahr 2024 muss irgendetwas bei der Kehrwieder Brauerei passiert sein. Der Braubetrieb wurde zur Insel-Brauerei nach Rügen verlagert, die Sorten wurden weniger (wobei man sich weiterhin auf die drei alkoholfreien Sorten verständigt hat) und Oliver Wesseloh ist nicht mehr aktiv in der Brauerei tätig.
Ich war gespannt, da ich mir nicht vorstellen konnte, dass der Geschmack gleich bleibt. Mit der neuen Braustätte gab es ein neues Etikettendesign. Wichtig für die Unterscheidung, welche Flasche kommt aus Hamburg und welche von der Insel Rügen.
Geschmacksfrage
Das erste „neue“ üNN habe ich auf der Bierkultur in Lingen getrunken. Leider hat der liebe Konstantin von Kehrwieder meinen ganzen Unmut abbekommen. Das war nicht mehr „mein“ üNN. Es ist ein anderes Bier geworden. Ein beliebiges Bier ist es geworden. Das intensive IPA-Erlebnis ist nicht mehr vorhanden. Alleine schon der Antrunk ist wässrig und das neue üNN wusste mich nicht mehr zu überzeugen.
Auf der Heimfahrt von Lingen hatte ich mir als Wegbier den „neuen“ Road Runner mitgenommen. Ich hatte echt Tränen n den Augen. Haben die Menschen von Kehrwieder am Kaffee gespart? Der Roadrunner ist ein dünnes Getränk geworden.
Auf das neue Coconut Grove musste ich mich gedulden. Die Wartezeit habe ich überbrückt indem ich in der Holy Craftbeer Bar in Düsseldorf und in der Locke in Wuppertal die vorherigen Biere von Kehrwieder noch bekommen und trinken konnte. Letztens konnte ich noch ein Hamburger üNN und ein Rügener direkt im Vergleich trinken. Da ist mir der Geschmacksunterschied sehr deutlich aufgefallen.
Von der Kokosnuss nach Miami
Das neue Coconut Grove ist mir geliefert worden. Man hat sich für einen neuen Namen entschieden, da man nicht wollte, dass in dem Bier die Kokosnuss hineininterpretiert wird. So heißt das Bier nun Miami Grove. Der Bezug zur Stadt ist weiterhin vorhanden, da Coconut Grove ein Bezirk von Miami ist und Familie Wesseloh dort mal gewohnt hatte.
Das Coconut Grove war ein Juicy IPA und die Früchte waren deutlich erkennbar. Ein Manko hatte das Bier, denn jede Charge schmeckte leicht anders.
Nun habe ich das Miami Grove vor mir und es schmeckt auch wieder anders. Ich habe nichts von der Fruchtigkeit geschmeckt. Ich finde es einfach nur herb mit einer Note von Grapefruit. Grundsätzlich mag ich das, aber eigentlich erwarte ich viel mehr Fruchtigkeit.
Kehrwieder beschreibt es auf ihrer Internetpräsenz wie folgt:
An der Ostküste der USA findest du die sonnenverwöhnte Stand Miami. Sie war unser geliebtes Zuhause auf Zeit. Von hier aus haben wir die kreative Bierwelt der USA kennen und lieben gelernt. Schmeckt nach Piña Colada – Ananas trifft auf Kokosnuss mit einem Hauch von Pink Grapefruit.
Naja, Ananas und Pink Grapefruit wusste ich beim Coconut Grove zu schätzen, jetzt schildert die Brauerei, dass der Geschmack von Kokosnuss vorhanden sei. Aber hat man nicht wegen der Kokosnuss im Coconut Grove den Namen geändert? Oder hat die Namensänderung etwas mit dem gleichnamigen Rum aus Australien zu tun? Alles Spekulation.
Nun ja, es tut mir im Herzen weh, aber die neue Produktionsstätte tut den alkoholfreien Kehrwieders nicht gut. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das „nur“ am anderen Wasser liegt. Oliver Wesseloh hat beim Senatsbockanstich 2022 auf Nachfrage bestätigt, dass das alkoholfreie Bier mehr als die Hälfte des Ausstoßes der Brauerei ausmacht (siehe Video oben). Für mich ist es unvorstellbar, dass man solche Erfolgsgaranten so sehr verändert.
Drei Biere, die mir nicht nur wegen dem Geschmack wichtig waren Das üNN hat als erstes alkoholfreie IPA aus Deutschland eine Richtung vorgegeben und so zur Vielfalt viel beigetragen hat. Ohne Kehrwieder hätte ich während Corona meine Biernerds nicht kennengelernt. Wir treffen uns weiterhin jeden Donnerstag per Zoom.
Bei Facebook würde ich den Beziehungsstatus zwischen Kehrwieder und mir als kompliziert bezeichnen und hoffe auf die Rückkehr zu Hamburger Zeiten.
Nachtrag: Zur Vervollständigung muss erwähnt werden, dass die alkoholfreien Biere aus Hamburg nicht aus Hamburg kamen. Sie wurden in der Nittenauer Brauerei gebraut.