Wir sind das Ruhrgebiet

Ruhrgebiet und Bier. Das passt, wie Arsch auf Eimer. Die ersten 29 Jahre habe ich im Pott gelebt und da waren Sätze für mich normal wie „Treffen wir uns im Garten zum Bier“ oder „Gucken wir beim Bier Fußball“ oder „Nach dem Gottesdienst zur Waltraud auf ein Bier“ oder mein Liebling: „Lass uns das Neugeborene mit Bier pinkeln lassen“.

Man bekommt zwar den Menschen aus dem Pott,

aber nicht den Pott aus dem Menschen.

Man hatte auch immer Bier im Haus und wenn man kein Bier hatte, hatte man eine Bude in unmittelbarer Nähe, die eigentlich immer ein Pils oder ein Export auf Kühlung hatte. Die klassische Eckkneipe gibt es nicht nur im Ruhrgebiet, die gibt es eigentlich in jeder größeren Stadt. Ich glaube aber, dass die Kultur der Eckkneipe im Pott schon eine eigene ist. Rentner haben am Tresen ihre Stammplätze und kehren täglich ein. Dort wurden Neuigkeiten ausgetauscht und Politik gemacht. Zwei Pils und ein Korn. Wenn man nicht die nötige Kohle dafür hatte, traf man sich täglich an der Bude. Den Korn gab es da nicht, aber sonst war alles identisch.

In der Regel ging man nach zwei Pils auch wieder heim, da die Ehefrau, „Mutti“ oder auch „Alte“ genannt, mit dem Mittagessen wartet. In Düsseldorf rümpft man die Nase, wenn man die Ehefrau als „Alte“ bezeichnet, aber im Ruhrgebiet ist das die zärtlichste Bezeichnung für die eigene Lebenspartnerin.

Im Ruhrgebiet gab es viele Brauereien, die haben ursprünglich in der Regel Export gebraut, und in den 1950er bis in die 1970er Jahre hinein war Dortmund die europäische Bierhauptstadt. Von da an ist das Pils immer beliebter geworden und der Absatz Dortmunder Biere rückläufiger geworden. Die Gründe für die Pils-Beliebtheit können unterschiedlich sein:

  • Bergmänner waren u. a. im Sauerland zur Kur und haben dort Warsteiner und Veltins kennengelernt.
  • Der Handel hat sein Sortiment erweitert und es wurde nicht mehr ausschließlich regionales Bier verkauft.
  • Gastronomen haben gute Angebote für Fassbier von den Brauereien aus dem Sauer- und Siegerland erhalten. Die Brauereien waren so spendabel, dass auch Inneneinrichtungen gestellt worden sind.
  • Große Brauereien konnten bundesweite Fernsehwerbung schalten.
  • Die Brauereien, die ausschließlich Export gebraut haben, fingen zu spät an mit Pils eine weitere Sorte ins Programm zu nehmen.

Im Ruhrgebiet mussten einige Brauereien schließen und verschwanden vom Markt oder sie wurden von anderen Brauereien übernommen. Zum Beispiel gehören Kronen, Union, DAB, Brinkhoff’s, Hansa, Hövels, Ritter, Thier, Stifts zur Radeberger-Gruppe und werden von der Dortmunder Actien-Brauerei gebraut. Oder die Königs-Brauerei aus Duisburg-Beek gehört mittlerweile zur Bitburger Braugruppe. Die Privatbrauerei Stauder aus Essen und die Brauerei Moritz Fiege aus Bochum sind noch Familienunternehmen.

Aber kommen wir zum alkoholfreien Bier aus dem Ruhrgebiet, da ist die Auswahl sehr überschaubar:

Brinkhoff’s Alkoholfrei

Brinkhoff’s habe ich immer gerne auf Feten getrunken. Ein Bier ohne Ecken und Kanten, es drängt sich nicht in den Vordergrund. Und genau das fehlt leider dem Brinkhoff’s Alkoholfrei. Es ist recht geschmacksneutral. Man darf schon schmecken, dass neben Wasser auch Hopfen verwendet worden ist.

König Pilsener Alkoholfrei

„Die neue Lust ist keine Sünde!“ Das war der Werbespruch von Kelts Alkoholfrei aus der König-Brauerei zur Markteinführung. Wenn ich mich recht erinnere, war es damals die erste bundesweite Werbekampagne seit Clausthaler. Kann es um 1990 herum gewesen sein? Ich habe im Internet nicht viel dazu gefunden. Nur eine Fernsehwerbung aus dem Jahr 1993 mit dem schönen Slogan „Kelts! Einzig! Nicht artig!!“ Seit dem Jahr 2005 verkauft KöPi sein alkoholfreies Bier unter dem eigenen Namen. Warum hat man das nicht sofort gemacht? Kelts kam zu einer Zeit auf den Markt, da hat man alkoholfrei Bier müde belächelt. Vielleicht war das eine Vorkehrung, wenn Kelts erfolglos gewesen wäre. Aber alles nur eine Vermutung,

Aber jetzt zum Bier. Mein verstorbener Arbeitskollege Herbert prägte den schönen Satz: „Ich trinke jedes Pils, es muss nur aus Duisburg-Beek kommen.“ König-Pilsener war im Ruhrgebiet seit vielen Jahren ein beliebtes Bier und stach gegenüber den Brauereien aus dem Sauerland durch den herberen Geschmack hervor. Auffallend ist nur, dass der Geschmack in der Vergangenheit milder geworden ist. Einige meiner damaligen Arbeitskollegen aus Gelsenkirchen stiegen deswegen auf die Weißkappe (Stauder) um. Ungefähr zu der Zeit wurde die König-Brauerei von Carlsberg an die Bitburger Braugruppe verkauft. Vielleicht sollte das Bitburger Pilsener das unangefochten herbe Pils in der Familie sein. Beim Kelts kann ich mich erinnern, dass es herb war und das König-Pilsener Alkoholfrei ist es immer noch. Ich würde es eher als feinherb bezeichnen. Ich trinke es weiterhin gerne.

Moritz Fiege

Moritz Fiege Frei, das alkoholfreie Bier aus Bochum. Für mich der König der alkoholfreien Biere aus dem Ruhrgebiet und auch aus ganz Nordrhein-Westfalen. Ich liebe herbes Bier und die Familienbrauerei aus Bochum vereint alles, was ich mag.

Die Brauerei hatte im Frühjahr 2020 während des Lockdowns eine bemerkenswerte Aktion. Es konnten sich Pflegekräfte aus Bochum und Wattenscheid bei der Brauerei melden und bekamen dann einen Kasten Moritz Fiege für das Feierabendbier. So wollte sich Moritz Fiege für den Einsatz der Pflegekräfte bedanken. Eine tolle Idee!

Dann gibt es noch das alkoholfreien Radler. Leider finde ich den nicht so bahnbrechend. Das liegt hauptsächlich an der kalorienreduzierten Zitronenlimonade, die sich beim Geschmack leider nierderschlägt. Der Grund, dass diese eingesetzt wird, liegt wahrscheinlich am Bügelverschluss. Ein Arbeitskollege aus Flensburg erzählte mir, dass die Flensburger Brauerei wegen dem Bügelverschluss ihren Radler, den Radler Alkoholfrei und das Malzbier (Malztrunk) mit künstlichen Süßungsmitteln herstellt. Das ist nur ein grober Abriss. Wenn ich mehr weiß, ergänze ich den Artikel.

Privatbrauerei Jacob Stauder

Eigentlich müsste ich einen eigenen Beitrag über Stauder schreiben, da ich Stauder einfach mag und immer mehr zu schätzen weiß. Wenn es den Titel „Sympathischste Brauerei Deutschlands“ geben würde, wäre die Privatbrauerei Jacob Stauder ständiger Anwärter oder hätte wie bei der Hitparade im ZDF mit Dieter Thomas Heck nach der dritten Wahl nicht mehr antreten dürfen. Die Brauerei wird mittlerweile in sechster Generation als Familienunternehmen geführt. Aktuell die beiden Cousins Axel & Thomas Stauder, die der Brauerei ein sympathisches Gesicht nach außen geben. Zum 150-jährigen Firmenjubiläum hat die Brauerei einen sehenswerten Imagefilm gedreht:

Dr. Thomas Stauder und ich bei der Präsentation vom Jacob im März 2017. Ein Bier anläßlich des Jubiläums. Nicht zu sehen: Wir sitzen auf dem berühmten grünen Sofa.

Beim Bier von Stauder bedaure ich, dass ich keinen Alkohol mehr konsumiere. So sehr vermisse ich es, ein frisch gezapftes Stauder Pils zu trinken. Aber ich habe auch gerne das Jacob oder das Bierchen getrunken.

Da ich weiß, wie schnell Gerüchte entstehen, erkläre ich gerne kurz, dass ich aufgrund einer Erkrankung seit November 2018 Medikamente nehmen darf, die sich nicht mit Alkohol vertragen.

Nun hat die Privatbrauerei auch alkoholfreie Getränke. Mit „tut gut“ einen Malztrunk, der mir einfach zu süß ist, und dann noch Fassbrause mit den Sorten Zitrone und Rhabarber. Diese fand ich überraschenderweise nicht zu süß. Schöne Alternativen.

Leider ist das Stauder alkoholfrei kein guter Ersatz für das Stauder Pils. Im Antrunk ist es angenehm herb, aber im Abgang ist es nicht mehr rund und das alkoholfreie Pils bekommt dann einen Nachgeschmack, den finde ich nicht lecker. Dennoch kaufe ich ab und an das Stauder alkoholfrei.

Da wir in der Adventszeit sind, wünsche ich mir etwas. Ich würde den Jacob oder das Bierchen als alkoholfreie Varianten trinken wollen. Liebe Stauders, ist das realistisch?

Mücke & Fleuther

Zwei Craftbrauer aus dem Pott haben sich am alkoholfreien Bier versucht. Beim Mücke Alkoholfrei aus Essen bin ich mir nicht sicher, was für ein Bierstil es sein kann. Ich tippe auf ein Pale Ale. Es ist gut hopfig und hat einen fruchtigen Abgang. Bitte mehr davon.

Ob die Brauerei Fleuther noch im Ruhrgebiet ist, da bin ich mir nicht so ganz sicher. Der Standort ist in Geldern, aber Kamp Lintfort ist gleich nebenan. Also Pottrandgebiet. Das „Fleuther Zwei“ ist ein alkoholfreies Pils. Für ein Pils ist es mir nicht herb genug und vom Geruch her kommt es mir süß vor. Im Abgang recht fruchtig. So wie das Mücke Alkoholfrei. Ist aber auch nicht verwunderlich. Beide Brauereien verwenden die Hopfensorte Mandarina Bavaria. Der Name ist Programm.

Ruhrpott Kohla, Himbär & Froschbrause

Wenn man ausschließlich alkoholfrei trinkt, schaut man sich den Bereich mit den Softdrinks schon mal an und wagt so den berühmten Blick übern Tellerrand. Vor einigen Wochen war ich in Bochum und fand dort die Ruhrpott Kohla, den Himbär und die Froschbrause. Alle drei Getränke aus Recklinghausen. Alle drei Getränke mir persönlich zu süß, aber besonders die Himbeer- und die Waldmeisterlimonade erinnern mich an meine Kindheit, wenn ich zur Bude von Frau Kalinowski lief und bei ihr Brause kaufte. Eine von den beiden Sorten hatte sie immer da. Das ist jetzt vierzig Jahre her. Ich weiß gar nicht, ob es damals schon Kalorien gegeben hat