Fassbrause

Blick übern Tellerrand

Geschichte

Seit einigen Jahren beobachte ich, dass immer mehr Brauereien den alkoholfreien Getränkemarkt mit Fassbrause beglücken. Fassbrause weckt bei mir regelmäßig Kindheitserinnerungen. Wenn ich mit meinen Eltern Onkel Erich und Tante Martha in Löwenberg in der DDR besucht habe, einem Dorf zwischen Gransee und Oranienburg in Brandenburg, war die Fassbrause „mein Getränk“. In der Grundschule habe ich nicht bewusst Bier konsumiert, aber ich kann mich erinnern, dass es Bier reichlich gab. Vor 35 Jahren hat man sich nicht im heutigen Ausmaß Gedanken über gesüßte Getränke gemacht. Ich bin mir auch sehr sicher, dass es damals auf den Flaschenetiketten keine Nährwertangaben gegeben hat. An den Geschmack der „normalen“ Fassbrause kann ich mich nicht erinnern, aber beim Ehemann meiner Cousine gab es Fassbrause mit dem Geschmack Maracuja. Da sind mir sogar noch die Flaschen präsent. Wenn Erhard in Berlin war, hat er diese mitgebracht. Auf dem platten Land gab es sie nicht.

Dass ich meine persönliche Erfahrung mit der Fassbrause 50 km vor den Toren von Berlin gemacht habe, ist nicht verwunderlich. Die Fassbrause ist im Jahr 1908 in Berlin erfunden worden. Der Chemiker Dr. Ludwig Scholvien hat die Fassbrause für seinen Sohn entwickelt. Sie sollte so ähnlich wie Bier schmecken und auch so aussehen, aber alkoholfrei musste (!) sie sein. Schon vor einhundert Jahren haben hauptsächlich Brauereien die Fassbrause hergestellt, da diese das benötigte Malz bevorratet haben. Neben Malz und Wasser ist im Originalrezept von Dr. Scholvien ein natürliches Konzentrat aus Äpfeln und Süßholz enthalten. Im Berliner Raum ist der Name weiterhin Programm, denn da wird die Sportmolle, wie die Brause im Dialekt genannt wird (Molle = Bier) tatsächlich aus Fässern ausgeschenkt.

Seit den 60er Jahren gibt es in den USA ein Getränk namens „Apple Beer“, das auf Basis der Rezeptur von Dr. Ludwig Scholvien hergestellt wird.

Gegenwart

Fast einhundert Jahre hat die Fassbrause ihr Dasein in Berlin und im Umland gefristet. Im Jahr 2010 hat die Brauerei Gaffel aus Köln die Fassbrause in den Westen gebracht. Zu dem Kölsch wollte die Brauerei ein erfrischendes, alkoholfreies Getränk auf den Markt bringen, das man in Kombination für ein „kölsches Radler“ verwenden kann. Der Plan schien aufzugehen. Nach Jahren des sinkenden Absatzes, Bier konnte nicht mehr so erfolgreich verkauft werden, hat die rheinische Fassbrause direkt Erfolge vorweisen können und machte direkt 15 % vom Gesamtabsatz der Brauerei Gaffel aus. Schnell hat man festgestellt, dass die Fassbrause aus dem Westen nicht mit der Berliner Fassbrause zu vergleichen gewesen ist. Mir ist nur die Bitburger Brauerei bekannt, die das Originalrezept von Dr. Scholvien verwendet. Entweder ist die Fassbrause eine Mischung aus Malz und Limonade oder es wird mit alkoholfreien Bier hergestellt. Fassbrause ist kein geschützter Begriff, so kann es schon mal zu irreführenden Produkten kommen.

Seit 2010 sind aber immer mehr Brauereien auf den rollenden Zug der Fassbrause aufgesprungen. Nach Gaffel folgten Krombacher, Veltins, Oettinger, Stauder, Bitburger, Flensburger, Früh Kölsch und noch einige mehr. Anfangs waren die Geschmacksrichtungen Orange und Zitrone Standard, so kamen mit der Zeit als Geschmäcker Himbeere, Waldmeister, Rhabarber, Apfel (fast schon wie beim Original), Heidelbeere, Mango, Maracuja hinzu. Bei Krombacher verirrte sich noch Cola-Orange. Ein Berliner fragt sich vielleicht, ob das alles noch Fassbrause ist 😉

Kritik

Immer wieder gibt es Diskussionen, ob Fassbrause für Kinder oder für trockene Alkoholiker geeignet ist. Die Antwort ist einfach: Jein. Das Lebensmittelrecht definiert, dass ein alkoholfreies Getränk bis zu 0,5 % Alkohol beinhalten darf. Da alkoholfreies Bier bei der Herstellung der „westdeutschen Fassbrause“ verwendet wird, kann man davon ausgehen, dass Alkohol enthalten ist.

Viele Brauereien garantieren mittlerweile, dass das bei der Herstellung verwendete alkoholfreie Bier gänzlich alkoholfrei ist. Die Fassbrause von Veltins kann bis zu 0,2 % Alkohol haben, die von Flensburger bis zu 0,5 % und Gaffel & Früh haben 0,0 %.

Oettinger, Bitburger und Krombacher verzichten komplett auf alkoholfreies Bier.

Neben dem eventuellen Alkoholgehalt ist auch der Geschmack ein Thema. Der leicht herbe Geschmack kann Kinder an den Geschmack vom Bier heranführen und alkoholkranke Menschen an Bier erinnern. Auch deswegen ist Fassbrause in der Regel im Handel in Nähe vom Bier zu finden und nicht bei den Softdrinks.

Persönliche Vorlieben

Seit ich keinen Alkohol mehr trinke, bin ich auch Fassbrausen gegenüber offener eingestellt. Manchmal verdünne ich sie mir mit Mineralwasser, da der Geschmack mir oft zu süß ist. Die Fassbrausen der Vielanker Brauerei mag ich aber sehr. Vor drei Jahren war ich in Vielank und konnte das Bier und die wunderbare Küche genießen. Obwohl ich mich mittlerweile fast vegetarisch ernähre, schwärme ich heute noch vom dort angebotenen Fleisch. Aber auch das Bier hatte mich beeindruckt. Nun habe ich eine große Auswahl an Fassbrause aus Vielank in meinem Kühlschrank und die ist groß: Zitrone, Holunder, Blaubeere, Sandorn, Rhabarber, Erdbeere, Himbeere und Fassbrause Original. Nicht zu süß und sehr fruchtig! Einen Gruß an die Strategen aus Vielank: Tolle Produkte, aber die Infos zu diesen auf eurer Homepage sind sehr dünn.

Bisher habe ich keine Fassbrause getrunken, dessen Geschmack grausam gewesen ist. Die Maracuja-Fassbrause von Oettinger gehört neben den Sorten aus Vielank zu meinen Favoriten.